Dienstag, 12. August 2014

Ein Regentag in der "city of the future"...

... den ich gut nutzen kann, um mich endlich mal wieder dem Schreiben zu widmen.

Dass Vancouver die Stadt der Zukunft sei ist übrigens ein Zitat von Paul, einem Freund unserer Homestay-Mom Lynne; er sei schon soviel rumgereist, aber nirgends habe er einen so toll funktionierenden mix of cultures beobachtet wie hier- vom ohnehin schon erholsamen, maritimen Flair der Stadt einmal ganz abgesehen. Übrigens: Nicht nur Meer gibts hier, sondern auch Wintersport- Vancouver ist eine der wenigen Städte der Welt, in der man beim Skifahren in den Bergen einen tollen Blick auf den Ozean genießen kann- ich hatte bisher leider noch keine Zeit, das auch zu überprüfen, aber wenn es soweit sein sollte, dann wird es hier nochmal ein Kapitelchen mit Bildern dazu geben, versprochen!

Es war viel los die letzten Tage, Julia, Johanna, Nathalie und ich haben die erste Woche im neuen Job bei Sockeye mittlerweile hinter uns. Und so langsam komme ich auch dahinter, wie der Laden hier funktioniert- man beachte: Nur deutsches Bier braucht 7 Minuten, wenn man aber in Kanada zum Bierzapfen so lange braucht, dann wird man von den Kollegen leicht misstrauisch beäugt- und sei es auch ein deutsches Bier, wir haben hier Hacker-Pschorr, Schöfferhofer und Radeberger. Innerhalb von 10 Sekunden muss das Bier fertig sein, ein kleiner Kulturschock für mich. Schmeckt aber genau so gut! :) 
Unsere Kollegen hier sind übrigens ausnahmslos wirklich toll, vielen Dank an euch alle für die nette Aufnahme! Leider wird die Zusammenarbeit von nicht allzu langer Dauer sein, denn noch bevor wir wieder unsere Koffer packen und Kanada bereisen, sind die meisten der Kollegen schon wieder zurück im studentischen Alltagsleben- ein Großteil der Angestellten im Sockeye sind Schüler und Studenten, die sich im Sommer ein bisschen Geld dazu verdienen wollen.
Für ein Foto fehlte bisher leider die Zeit, es ist auch sehr schwer, die über 40 Angestellten organisatorisch unter einen Hut zu bekommen- ich werds aber mit Sicherheit versuchen!

Bis dahin müssen erstmal die folgenden Bilder ausreichen- ein paar kleine Schnappschüsse aus unserem neuen Alltag:
Den ganzen Tag könnt ich hier sitzen...
... aber rein muss ich auch ma! Schwimmen verboten wegen Strömung- leider!
Julias kleiner Geburtstagsumtrunk nach der Schicht im Sockeye :)
Zum Abschluss hier noch ein kurzer Abschnitt zu den kleinen Unterschieden zwischen kanadischem und deutschem Alltag. Ich habe festgestellt: Das Klischee des immer gut gelaunten, relaxten und grundsätzlich unbeirrbar positiv eingestellten Kanadiers trifft fast immer zu, in jedem Fall aber ganz besonders auf unsere Homestay-Mom. Nachdem wir heute morgen die Wäsche zum Trocknen im Garten aufgehangen haben, fing es an, "cats and dogs" zu regnen, der Himmel grau in grau und kein bisschen Sonne mehr. Als ich hektisch rausrenne, um die Wäsche schnell wieder abzuhängen, bleibt Lynne ganz gechillt sitzen: "It`ll stop raining, ey, I promise! Just leave it where it is, no panicing, ey!" Und als ich meine Zweifel andeute, sagt sie mir, ich soll mal "Wetter Vancouver" googeln. Mache ich. Nur Regen die nächsten Tage, morgen sogar Gewitter. Ich sage es ihr. Sie: "Mmmh... anyway, the sun will come back, you`ll see! If not: I owe you a beer." Und bleibt sitzen, während die deutsche Seele neben ihr immer wieder nervös zwischen Wäsche und ihr hin und her schaut und sich erst beruhigt, als Nathalie mal "an der Wäsche riechen" geht und mit der Info "riecht noch gut!" zurückkommt. Die Wäsche hängt übrigens gerade noch immer an der Leine, es tröpfelt nur noch und der Himmel ist nicht mehr ganz so grau wie noch vor 2 Stunden. Scheint also, dass ich auf mein Freibier von Lynne verzichten muss... :)
Grau? Regen? Nix, die Wäsche bleibt hängen. Sonne kommt!!
Auch die kanadische Spontanität hab ich gestern live miterleben können: Lynne fragt mich, ob ich ihr helfen könne, die Baumspitze einer 6-Meter-Tanne auf ihrem Grundstück zu kappen. Ich klettere auf die Leiter und werde dabei von unserem deutschen Nachbarn Adolf beobachtet. Er kommt rüber und fragt, was wir da treiben. Lynne erklärt ihm, dass sie den Baum eigentlich ganz fällen will, weil er soviel Licht wegnimmt. Scheinbar braucht man dazu aber in Kanada ab einer gewissen Höhe eine offizielle Genehmigung und Lynne ist sich nicht sicher, ob ihr Baum bereits einer dieser Genehmigungsfälle ist. Sagt Adolf, der sich die kanadische Mentalität in seinen mittlerweile über 40 Jahren in Kanada scheinbar sehr gut angeeignet hat: "Who cares? It`s your property, no one will ask you about that tree. Just cut it!" Nach nicht mal 2 Sekunden Bedenkzeit ist Lynne direkt dabei. Sie rennt in ihre kleine Werkstatt, holt ein Seil, lässt es mich am Baum festmachen, kommandiert mich von der Leiter runter und an die Säge, "to finally kill that damn thing". Ich lasse mich einfach mal treiben, ist schließlich nicht meine Tanne-- und innerhalb von zehn Minuten haben Lynne, Adolf, Nathalie und ich den Baum am Boden. Keine halbe Stunde später sind die Äste ab und der Stamm zur Einlagerung zerkleinert, nächstes Jahr wird daraus Feuerholz geworden sein. 
Der klägliche Rest der 6m-Tanne- von Lynne erstmal mit Vogelhäuschen dekoriert.
Ich hoffe, Lynne denkt zurück an ihre deutschen Besucher, wenn sie den ehemaligen Lichträuber übernächsten Winter in ihrem Kamin verheizt! :) 
Aber wer weiß, was bis dahin noch alles passieren wird und ob sie überhaupt noch in ihrem kleinen Gartenparadies wohnen wird- diese Frau ist schließlich so spontan wie pragmatisch: Wenns nicht mehr passt, weg damit und was neues, besseres her- das Leben ist schließlich viel zu kurz zum unglücklich sein. 
Kleines Beispiel gefällig? Gerne: Lynne war bereits mehrere Jahre bei der Coast-Guard angestellt, dann war sie Aufseherin im Männergefängnis (vielleicht deshalb der militärisch angehauchte Ton? ;-) ), dann hatte sie ihren eigenen kleinen Lebensmittelladen, hat geheiratet und ihren Sohn aufgezogen, ist dadurch ein bisschen ruhiger geworden, wie sie sagt, und mittlerweile ist sie selbstständige Gärtnerin mit Unidiplom (ihr Studium als "horticulturist" hat sie erst mit Mitte 40 angefangen und nicht innerhalb der vorgesehen 4 Jahre, sondern bereits nach 2 Jahren mit Auszeichnung abgeschlossen!) und selbstständige Yogalehrerin, ist vom kalten Norden Kanadas ins warme Vancouver umgezogen und will hier erstmal nicht mehr weg. "Life`s too short, ey!"

Abendliche Sympathiebekundungen zwischen Nathalie und Lynne :)
Recht hat sie mit dieser Einstellung. Die meisten Kanadier praktizieren diese Philosophie, die ich mir mit Sicherheit auch nach meiner Rückkehr nach Deutschland immer wieder ins Gedächtnis rufen werde! Danke Lynne, danke Kanada!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen